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Türchen 20

Der Koulte Hanns

Im hohen Norden der Republik gibt es allerhand Erzählungen und Aberglauben, die für uns Rest-Deutschländer vielleicht ein wenig seltsam anmuten, aber dennoch (oder vielleicht gerade deswegen) erzählenswert sind. Eine davon stammt aus Firte bei Aurich und ist aus dem dortigen Adventsbrauchtum nicht wegzudenken.

Der 20. Dezember ist in der kleinen Ortschaft Firte der Stichtag der Kohlernte. Spätestens heute müssen die (mehr oder minder) schmackhaften Pflänzchen aus der Erde. Wer diesen Termin verpasst, muss damit rechnen, vom „Koulte Hanns“ und seiner Schar heimgesucht zu werden.

Der Koulte Hanns lässt sich wohl am besten als Wald- und Feldschrat beschreiben, der zwar selten in Erscheinung tritt, aber nichtsdestomehr eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hat: In der Nacht vom 20. auf den 21. Dezember, der sogenannten „Koulte Naaht“, durchstreift er, bewaffnet mit einem Langkohl, die Landschaft mit dem Ziel, Wölfe von Weiden und Feldern zu treiben, um Vieh und Kinder sicher durch den Winter zu bringen.

Als Zeichen des Dankes und zur Unterstützung seiner harten Arbeit hängt deshalb ein jeder Bauer pünktlich zum Sonnenuntergang den prächtigsten Kohlkopf der diesjährigen Ernte in die Stalltür. Wenn das nicht geschieht, oder der Hanns bei seinen Streifzügen gar ein ungeerntetes Feld passieren muss, sollte der verantwortliche Übeltäter allerdings lieber selbst die Beine in die Hand nehmen - denn nun geht es ihm an den Kragen: Am Vormittag des 21. Dezember ziehen nämlich die Kinder und Jugendlichen des Orts über die Feldwege und Straßen rund um Firte und suchen nach übrig gebliebenen Kohlköpfen - mit denen ausgerüstet dann der entsprechende Hof gestürmt und der zugehörige Landwirt verdientermaßen verhauen wird.

Zum Glück ist dieser Frevel ansonsten aber recht einfach wieder gutzumachen: Wer die Kinder zum Mittag mit einem Kohlgericht bewirtet, hat der Abbitte genug getan - und hoffentlich draus gelernt. Guten Appetit.

Ein von einer KI generiertes Bild: Ein mystisch wirkender Bugbear mit einem schwarzen Mantel ist mit einem Langkohl bewaffnet und vertreibt in der Nacht Wölfe von einem mit Schnee bedecktem Feld. Im Hintergrund sind ein paar norddeutsche Häuser zu sehen.
Der Koulte Hanns verjagt die Wölfe vom Feld (Mit der KI von Microsoft Bing erstellt)

Zur Feier des heutigen Hoaxilla Re:Live mit dem klangvollen Namen „Der Werwolf von Gévaudan“ habe ich mir eine thematisch passende Überlieferung herausgesucht ausgedacht, die so oder so ähnlich niemals existiert hat.
Das Re:Live findet um 20 Uhr auf dem twitch-Kanal wildmics statt.

DISCLAIMER: Es gibt keinen Koulte Hanns und keine Ortschaft namens Firte und euch verprügelt auch keine Horde Halbstarker mit Feldfrüchten. Also- hoffentlich.